Kapitel 6
Tommy, 13. Oktober 2008
Tim Brand bewarb sich mit einem nicht gerade berauschenden Examenszeugnis bei der Staatsanwaltschaft und erhielt eine Standardabsage. Aber dann erschien er einfach persönlich und bettelte am Empfang um ein Vorstellungsgespräch. Das imponierte Tommy, der zufällig vorbeikam. Tommy war es, der Brand beim Einstellungskomitee durchpaukte, der ihm beibrachte, wie man einen anständigen Schriftsatz verfasste, der Jim bei einer Reihe von wichtigen Fällen als zweiten Anwalt einsetzte. Und im Laufe der Zeit bewährte sich Brand. Er hatte ein natürliches Gespür für den Gerichtssaal, die Instinkte eines Footballspielers, der spürt, wann ihm ein Überraschungsangriff droht. Verteidiger beschwerten sich über seinen rotzigen Stil, aber das taten sie auch bei Tommy.
Doch anders als die meisten Menschen, denen man einen Gefallen tut, vergaß Jim Brand nie, in wessen Schuld er stand. Tommy war sein großer Bruder. Sie waren gegenseitig Trauzeugen auf ihren Hochzeiten. Und auch jetzt noch machten Tommy und Brand mindestens einmal im Monat zusammen Mittagspause, und zwar sowohl, um ihre Freundschaft zu pflegen, als auch, um über die regelmäßig auftretenden Probleme in der Behörde zu reden, die sonst im Strudel der Dringlichkeiten untergingen. Normalerweise aßen sie nur irgendwo in der Nähe schnell ein Sandwich, aber heute hinterließ Brand bei Tommys Sekretärinnen eine Nachricht, dass er um zwölf unten vorm Haupteingang auf ihn warte. Jim steuerte seinen Mercedes gerade aus dem Betonparkhaus zwischen dem Bezirksgebäude und dem Gericht, als Tommy aus dem Gebäude trat.
»Wo geht's hin?«, fragte Tommy, sobald er eingestiegen war. Brand liebte sein Auto, eine E-Klasse, die er günstig gekauft hatte, nachdem er drei Monate lang praktisch kein anderes Thema hatte als irgendwelche Angebote im Internet oder in Kleinanzeigen. Er und seine Mädchen wienerten das Auto jeden Sonntag auf Hochglanz, und er hatte einen Lederreiniger gefunden, der den typischen Neuwagenduft verströmte. Das Auto war dermaßen makellos, dass Tommy schon Bedenken hatte, auch nur die Beine übereinanderzuschlagen, weil er fürchtete, seine Schuhe könnten Staubspuren am Sitz hinterlassen. Einer der glücklichsten Tage in Brands Leben war der gewesen, als er eines Abends aus dem Parkhaus rollte und ein vorbeitorkelnder zahnloser Penner lallte: »Mann, Alter, krasser Schlitten ist das.« Noch heute gab Brand diesen Spruch bei jeder Gelegenheit zum Besten.
»Ich dachte, ins Giaccolone's«, sagte Brand.
»Du liebe Zeit.« Im Giaccolone's steckten sie ein ganzes Kalbsschnitzel in ein Panino und ersäuften das Ganze in Marinarasoße. Als junger Staatsanwalt hatte Tommy oft die Detectives, mit denen er in einem Fall zusammengearbeitet hatte, dorthin eingeladen, während die Geschworenen sich berieten, doch mittlerweile deckte so ein Sandwich seinen Kalorienbedarf für die ganze Woche. »Dann fühl ich mich wieder wie eine Boa constrictor, die gerade ein Pferd verdaut.«
»Du wirst deine Mittagspause genießen«, sagte Brand, und da ahnte Tommy, dass Brand etwas im Schilde führte.
Das Giaccolone's war nicht weit von der Uni, und der Hungersnotappetit junger Studenten hatte den Laden vor Jahren am Laufen gehalten, als man noch jugendlichen Wagemut und bewaffnete Begleiter brauchte, wenn man sich in die Gegend traute. Damals war die ganze Straße ziemlich heruntergekommen. Der Spielplatz gegenüber war ein unkrautüberwuchertes Gelände gewesen, wo lila Disteln neben Müll wuchsen, der mitten in der Nacht dort abgeladen wurde - Autoschrott und Spannbetonbrocken, aus denen rostige Moniereisen ragten. Jetzt standen dort noble Stadthäuser, und Tony Giaccolone, der den Laden in der dritten Generation führte, hatte das Undenkbare getan und die riesige Speisekarte, die über der Theke prangte, um Salate bereichert. Die Uniklinik, die mit ihrer Freiformarchitektur aussah, als hätte Tomaso einen Haufen Bauklötze auf den Boden gekippt, war bis auf wenige Hundert Meter herangekommen, breitete sich ungezügelt aus wie eines der Krebsgeschwüre, für deren Behandlung sie berühmt war.
Auf der Rückseite vom Giaccolone's standen Picknicktische aus Beton. Dorthin gingen Brand und Tommy, nachdem sie sich ihre Sandwiches geholt hatten, die so schwer waren wie Ziegelsteine. Ein Anzug tragender, kupferroter Buddha sprang auf.
»Hallo«, sagte Brand. »Boss, du erinnerst dich doch an Marco Cantu, oder? Marco, du kennst den Oberstaatsanwalt.«
»Hallo, Tom.« Cantu holte aus und klatschte seine Hand in Tommys. Als Marco Cantu noch bei der Polizei gewesen war, hatte er den Spitznamen »Can-tu-nix« gehabt. Er war clever, aber sagenhaft faul gewesen, einer von den Cops, die den lebenden Beweis dafür lieferten, dass man Streifenwagen niemals mit Klimaanlagen hätte ausstatten sollen, denn im Sommer wäre Marco nicht mal ausgestiegen, um einen Mord zu verhindern. Aber er war irgendwo auf den Füßen gelandet, das wusste Tommy noch. Nach zwanzig Dienstjahren ließ er sich pensionieren und surfte auf der Antidiskriminierungswelle ins Paradies.
»Sicherheitschef im Gresham«, sagte Cantu, als Tommy ihn fragte, was er denn zurzeit so mache. Das Gresham war ein klassisches Hotel, das um eine prächtige Lobby herum erbaut war, in der Marmorsäulen so hoch wie Mammutbäume aufragten. Tommy war gelegentlich dort, wenn die Anwaltskammer einen Empfang gab, aber man brauchte schon das Spesenkonto eines Topmanagers, um sich ein Zimmer leisten zu können.
»Ist bestimmt Knochenarbeit«, sagte Molto. »Einmal im Monat schalten Sie auf Krisenmodus, wenn Sie irgendeinem betrunkenen Manager zuraunen müssen, er sollte doch jetzt lieber die Bar verlassen.«
»Für so was hab ich vier Leute«, sagte Marco. »Ich hör bloß über meinen Ohrhörer mit.« Cantu hatte das Gerät in der Tasche und holte es kurz hervor, was mit Schmunzeln quittiert wurde.
»Und was ist mit irgendwelchen Promis?«, fragte Brand, der ein Faible für die Glitzerwelt hatte. »Die steigen doch bestimmt schon mal bei euch ab.«
»Allerdings«, sagte Marco. »Und die können einem das Leben ganz schön schwer machen.« Er erzählte die Geschichte von einem neunzehnjährigen Rockstar, der nach einem Zug durch die Bars in der Stadt sturzbetrunken um drei Uhr morgens zurück ins Hotel gekommen war und auf einmal meinte, es wäre eine prima Idee, sich in der Lobby splitternackt auszuziehen. »Ich wusste nicht, was ich zuerst machen soll«, sagte Marco, »die Paparazzi verscheuchen oder die Heizung hochdrehen, damit sich der Junge keine Erkältung holt. Das war vielleicht ein Blödmann.«
»Ihr kriegt doch auch lokale Prominenz«, sagte Brand. »Hast du mir nicht erzählt, du hättest Anfang letzten Jahres alle naselang den Chefrichter vom Berufungsgericht bei euch gesehen?«
»Stimmt«, sagte Marco. »Und so gut wie jedes Mal hatte er diese kleine chiquita am Arm.«
Brands dunkle Augen suchten Tommys. Jetzt wusste Molto, warum sie hier waren.
»Wie jung?«, fragte Tommy.
»Auf jeden Fall volljährig. Ich weiß nicht. Dreißig? Attraktiv, mit mächtig Holz vor der Hütte. Beim ersten Mal hab ich ihn nur so in der Lobby rumsitzen sehen. Ist doch komisch, oder? So ein Chefrichter hat doch immer viel zu tun. Ich will zu ihm, um ein bisschen zu quatschen. Aber da seh ich, wie er zur Seite kuckt und irgendwem signalisiert, er soll verschwinden. Ich bück mich, um meinen Hosenaufschlag zu richten, und sehe diese Braut, die rückwärts geht und dann zum Fahrstuhl.
Ein paar Wochen später bin ich oben auf einer der Etagen, um bei irgendeinem asiatischen Geschäftsmann mit Jetlag nach dem Rechten zu sehen, weil er seinen Weckruf nicht angenommen hat, und als die Fahrstuhltür aufgeht, sehe ich gerade noch, wie die beiden auseinanderspringen und sich in ihre jeweiligen Ecken stellen. Der Richter und sie. Ich meine, sie war echt dabei, ihre Bluse wieder in den Rock zu stopfen, und der alte Oberrichter hatte so einen Blick im Gesicht, als würde er denken: Jetzt bloß nicht in die Hose machen. Wieder zwei Wochen später seh ich ihn in die Lobby kommen, und als er mich bemerkt, wirbelt er rum wie eine Ballerina und marschiert durch die Drehtür wieder raus. Aber die Braut, die steht an der Rezeption.«
»Um welche Tageszeit war das?«, fragte Tommy und beäugte misstrauisch die Gäste um sie herum. Am Nebentisch saß eine Gruppe aus dem Krankenhaus, alle in weißen Kitteln mit Instrumenten in der Brusttasche. Sie alberten herum, lachten, ohne Notiz von dem Oberstaatsanwalt gleich neben ihnen zu nehmen.
»Zweimal gegen Mittag. Das letzte Mal nach Feierabend.«
»Der Richter lässt es sich in der Mittagspause besorgen?«
»So sah das für mich aus«, sagte Marco.
Tommy nahm sich Zeit fair seine widerstreitenden Beurteilungen. Es überraschte ihn nicht, dass Rusty ein Heuchler war, dass er um den Sitz im Obersten Bundesstaatsgericht kandidierte und gleichzeitig herumvögelte. Manche Männer waren einfach so, schwanzgesteuert, nichts anderes. Der Gedanke, seine Frau zu betrügen, war für Tommy unfassbar, lag regelrecht außerhalb jedes vorstellbaren Verlangens. Warum? Was könnte kostbarer sein als die Liebe der eigenen Frau? Alles in allem bestätigte diese Geschichte lediglich seine Einschätzung, dass Rusty Sabich ein Arschloch war.
»Tja«, sagte Tommy. »Ich selbst habe an einigen Mittagessen der Anwaltskammer in dem Hotel teilgenommen.«
»Klar. Die gibt's öfter.«
»Und die Konferenzsäle sind ständig belegt, Tag und Nacht?«
»Damals schon. Im Augenblick könnten die Geschäfte besser laufen.«
»Okay«, sagte Tommy, »aber diese junge Frau und er könnten durchaus auch aus anderen Gründen da gewesen sein. Marco, haben Sie vielleicht mal einen Blick ins Gästeverzeichnis geworfen, ob der Richter wirklich im Hotel abgestiegen ist?«
»Ja. Aber wie gesagt, die Frau stand an der Rezeption.«
»Das heißt, es gibt keinen Beleg?«
»Keinen Beleg.«
Tommy sah Brand an, der mit der Entwicklung der Dinge so zufrieden war, dass er sich gierig über sein Sandwich hermachte. Selbst in diesem Alter hatte Jimmy immer noch ständig Heißhunger. Molto hatte vieles zu sagen, aber nicht im Beisein von Marco. Sie sprachen über die Footballmannschaft der Uni, bis Cantu die kümmerlichen Reste seines Paninos in das Wachspapier einwickelte. Ehe er aufstand, stützte Marco die Hände auf seinen breiten Oberschenkel.
»Wissen Sie, ich fand's ziemlich mies, wie Rusty Sie bei dem Prozess verarscht hat«, sagte Cantu. »Deshalb hat's mir auch nichts ausgemacht, ein paar Kumpeln beim Bier die Sache zu erzählen.«
»Das weiß ich zu schätzen«, sagte Tommy, obwohl das Räderwerk in ihm sich verkeilte. Er vermutete, dass Cantu mit ein bisschen Spucke seinen eigenen Groll gegen Sabich aufpolierte.
»Aber das Hotel«, sagte Marco. »>Die Privatsphäre unserer Gäste.<« Er malte mit seinen dicken Fingern Anführungszeichen in die Luft. »Mordsmäßig wichtig. Wie bei 'ner gottverdammten Schweizer Bank. Also wenn irgendwas davon je rauskommt, dann haben Sie von mir nichts gehört. Falls Sie was Schriftliches brauchen, schicken Sie einen Cop rüber, und ich red mit meinem Boss, damit der mit seinem Boss reden kann. Bleibt sich letztlich gleich, aber Sie wissen ja, wie das läuft.«
»Alles klar«, sagte Molto und sah Marco hinterher, der in seinem schicken Anzug davonging.
Tommy warf den Rest seines Sandwiches weg und winkte Brand zurück zum Auto. Jim hatte den Mercedes auf der anderen Straßenseite im Parkverbot abgestellt, wo er ihn im Auge behalten konnte. Als sie einstiegen, nahm Brand den Zettel, den er unter die Windschutzscheibe gelegt hatte -
KINDLE-COUNTY-POLIZEIKRÄFTE IM DIENST - und klemmte ihn wieder hinter die Sonnenblende.
»Hör mal, der Kerl war ein ziemlich mieser Cop, als er noch auf Streife ging«, erklärte Tommy.
»Ich würde glatt sagen, der war ein Oberarschloch«, sagte Brand, »aber das wäre zu schmeichelhaft.«
»Und zwischen ihm und Rusty ist irgendwie böses Blut, hab ich recht?«
»Ist auch mein Eindruck. Als wir das erste Mal über die Sache geredet haben, hat Marco ordentlich Dampf abgelassen und erzählt, dass Sabich, als er noch Prozessrichter war, ihm mal die Schuld für einen Beweisausschluss gegeben hat.«
»Okay, dann sieht Can-tu-nix vielleicht ein kleines bisschen mehr, als ein anderer sehen würde.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber dir ist doch wohl klar, wenn er recht hat, dann wäre das ein Motiv für Adios Mrs Sabich.«
»Wie du's auch nennen willst, das war vor anderthalb Jahren. Und als Mordmotiv ist es nicht sehr überzeugend. Schon mal das Wort Scheidung gehört?«
»Wäre bei meiner Frau ausgeschlossen«, sagte Brand. »Die würde mich fertigmachen.« Jody, eine ehemalige Staatsanwältin, war eine harte Nuss. »Vielleicht hat Rusty gedacht, eine Scheidung würde seinem Wahlkampf schaden.«
»Dann hätte er noch sechs Wochen warten können.«
»Vielleicht konnte er das nicht. Vielleicht ist die junge Lady schwanger und bekommt allmählich Bauch.«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht, Jimmy.«
Sie waren jetzt auf der Madison, gleich gegenüber vom Haupteingang der Uniklinik. An der Fußgängerampel an der Ecke wartete ein Pulk von Leuten auf Grün, ihrem Aussehen nach Ärzte und Patienten und Arbeiter, und jeder Einzelne von ihnen, Molto zählte acht Personen, hatte ein Handy am Ohr. Wo war bloß das Hier und Jetzt geblieben?
»Boss«, sagte Brand. »Rusty wird nicht gleich um Mitternacht deswegen hingerichtet. Aber du hast gesagt, ich soll dir was liefern. Und das hier ist was. Es geht um einen Mann, der schon mal wegen Mordes vor Gericht stand. Jetzt stirbt plötzlich und unerwartet seine Frau, und er lässt die Leiche aus unerfindlichen Gründen erst mal einen Tag abkühlen. Und wie sich herausstellt, ist er fremdgegangen. Also, kann doch sein, dass er den Übergang erleichtern wollte. Ich weiß es nicht. Aber wir müssen der Sache nachgehen. Mehr sag ich gar nicht. Wir müssen unsere Arbeit machen und der Sache nachgehen.«
Tommy blickte die breite Avenue hinunter, die auf beiden Seiten von Parkanlagen gesäumt und von mächtigen alten Bäumen beschattet wurde. Es wäre einfach sehr viel leichter gewesen, wenn es um jemand anderen ginge.
»Wie bist du überhaupt auf diese Information gestoßen?«, fragte er. »Wer hat dich auf Marco gebracht?«
»Einer von den Cops in Nearing spielt jeden Dienstagabend mit Cantu Billard.«
Die Antwort gefiel Tommy nicht.
»Ich hoffe, die halten sich alle schön zurück. Nicht dass noch die halbe Polizei von Nearing durch die Gegend rennt und jeden, der ihnen über den Weg läuft, fragt, ob er vielleicht Grund zu der Annahme hat, Rusty Sabich hätte seine Frau kaltgemacht.«
Brand versprach, die Sache unter Verschluss zu halten. Immerhin, so beruhigte Tommy sich, hatte die Presse noch keinen Wind davon bekommen. Er fragte Brand, was er jetzt vorhabe.
»Ich würde sagen, es ist Zeit, seine Bankunterlagen und Telefonverbindungsdaten anzufordern«, sagte Brand. »Wollen doch mal sehen, ob es diese große Unbekannte wirklich gibt und ob die beiden immer noch was laufen haben. Wir können allen eine Neunzig-Tage-Sperre aufbrummen, damit sie Rusty frühestens nach seiner Wahl davon erzählen können.« Die bundesstaatliche Version des Antiterrorgesetzes gab der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Dokumente anzufordern und die Stellen, die diese Dokumente lieferten, dazu zu verpflichten, neunzig Tage lang niemanden davon in Kenntnis zu setzen, außer vielleicht einen Anwalt. Es war ein schwacher Abklatsch von den Möglichkeiten, die den Bundesbehörden zur Verfügung standen - die konnten nämlich die Anforderung von Dokumenten ewig geheim halten -, aber die hiesigen Strafverteidiger hatten wie üblich in der Hauptstadt einen Riesenaufstand veranstaltet.
Tommy stöhnte und zitierte Macchiavelli, der schon immer wusste, worauf es ankam. »Wer auf den König schießt, tut gut daran, den König zu töten.«
Doch Brand schüttelte seinen großen kahlen Kopf.
»Nehmen wir mal das Schlimmste an, Boss, nehmen wir an, es kommt nix dabei raus. Dann wird Rusty stinksauer sein, wenn er davon erfährt, und vielleicht wirft er uns ab und an Knüppel zwischen die Beine, aber er wird sich keinesfalls öffentlich beschweren. Er sitzt im Obersten Bundesstaatsgericht, ihm ist nichts passiert, und er wird nicht an die große Glocke hängen, dass er mal vor langer Zeit, als seine bessere Hälfte noch lebte, eine Geliebte hatte. Er wird dich bloß noch ein bisschen mehr hassen, als er dich sowieso schon hasst.«
»Na toll.«
»Wir müssen unsere Arbeit machen, Boss. Wir haben Informationen vorliegen.«
»Dürftige Informationen.«
»Dürftig oder nicht, wir müssen ihnen nachgehen. Oder willst du, dass irgendein Cop aus Nearing in sechs Monaten einem Reporter beim Bier vorheult, dass sie noch vor Rustys Wahl auf wichtige Hinweise gestoßen sind, die ihn belasteten, und dass du eine Herztransplantation gebraucht hast, weil du Schiss hattest, der große böse Richter Sabich würde dir wieder den Hintern versohlen? Das wäre auch nicht gut.«
Brand hatte recht. Sie mussten ihre Arbeit machen. Aber es war riskant. Es war ein Witz, zu glauben, du hättest tatsächlich die Kontrolle über dein Leben. Du konntest zwar das Ruderblatt ins Wasser halten, um das Kanu zu steuern, aber durch die Stromschnellen trug dich allein die Strömung. Du selbst hieltst dich einfach bloß fest und hofftest, nicht gegen einen Felsen zu prallen oder in einen Strudel zu geraten.
Tommy wartete ab, bis sie wieder am Gericht waren, ehe er Brand die Erlaubnis gab, weiterzumachen.
Rustys Geburtstag 19.03.2007 - Barbaras Tod 29.09.2008 - Die Wahl 04.11.2008